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»Vier mörderische Videos, immer das selbe Motiv.

Nur die Frauen wechseln.«

Als Peter Förster vom nächtlichem Unfall seiner Enkelin Jasmin van Damme erfährt, ahnt er noch nicht, in welch unfassbare Mordserie er geraten würde. Während der Ermittlungen der Kripo stößt Förster auf ein Handy mit Videos von live inszenierten Morden mehrerer Frauen durch einen maskierten Maler. Eine davon ist das Unfallopfer.

Durch sie gerät ein weltweit operierendes Online-Netzwerk in den Fokus der Ermittler. Dabei überschlagen sich die Ereignisse und bringen alle Beteiligten an ihre Grenzen. Und der Maler bereitet sein größtes Meisterwerk vor. Die Uhr bis zum Event tickt gnadenlos herunter.

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17. März 2017 Willemstad, Curaçao

 

Ich konnte noch nicht ins Bett gehen und setzte mich mit einem Glas Chiaretto di Bardolino, den ich hier auf Curaçao unverschämt teuer einkaufte, auf meine Terrasse, direkt am Strand. Die Wellen liefen leise auf den schmalen Sandstreifen auf, eine frische Brise war aufgekommen und drückte die Temperatur auf gefühlte 20 Grad herunter. Die Nacht war von betörender Schönheit. Wahrscheinlich würde es dennoch noch einmal regnen. Schon ungewöhnlich im Frühjahr.

Die letzten beiden Jahre gingen mir durch den Kopf. Zwei Jahre in denen sich Jasmins, Jans und mein Leben drastisch verändert hatte. Von der erfolgreichen Domina mit eigenem Studio, vom mittellosen IT-Studenten und vom ruinierten und abgestürzten Computerspieleentwickler hin zu begüterten Privatiers auf einer Karibikinsel. Wir drei genossen unser bislang sorgenfreies Leben in einer traumhaften Umgebung. Sorgenfrei, seit wir mit Sicherheit wussten, dass gegen uns in Deutschland nicht ermittelt wurde. Wir waren sauber. Jasmin hatte letztes Jahr ihre Wäscheboutique eröffnet, die fantastisch lief. Jan beschäftigte sich per Homeoffice immer mal wieder mit einigen interessanten IT-Jobs. Und ich? Ich war Rentner, Stammgast in Ronaldos Strandbar und kümmerte mich zwischendurch, wenn ich nicht gerade mit den beiden um die Häuser zog, um meinen Garten, renovierte ein wenig am Haus herum und malte. Abstrakt, gegenständlich, was mir in den Sinn kam. Mir fehlte nichts. Fast nichts. Nur Silvia. Meine Freundin in Stuttgart. International erfolgreiche Wirtschaftsjournalistin. Bis jetzt hatte ich es, trotz ihrer Zusage im letzten Herbst bei unserem Aufenthalt in Piemont nicht geschafft, sie zum Umzug in die Karibik zu bewegen. 

»Irgendwann komme ich auf Deine Insel«, hatte sie mir geflüstert. Wir sahen uns zwar mindestens zwei bis drei Mal im Jahr ein paar Tage oder Wochen. Aber die Abschiede waren hart. Zu hart, wie ich fand.

»Ich verspreche Dir, eines Tages komme ich. Für immer«, hatte sie beim letzten Abschied am Stuttgarter Flughafen noch ein Mal versprochen. Und man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben.

Mein iPhone unterbrach schrill meine Gedanken. Es war Jan.

»Ist was?«

»Nein, alles in Ordnung. Sie schläft wie ein Murmeltier. Aber meinst Du, wir kriegen das hin und an Jasmin bleibt nichts hängen?«

»Mach Dir keine Sorgen, mein Lieber. Im schlimmsten Fall kriegt sie einen Strafbefehl wegen des Unfalls, wobei ich das nicht glaube. Die sind viel zu sehr mit dem Mord beschäftigt. Keine Panik, Junge!«

Jan lachte leise.

»Wenn Du das sagst. Und jetzt, gute Nacht! Kommst Du heute vormittag rüber? Mir wäre es recht, wenn Du mit zur Polizei fährst. Der Kommissar mag Dich. Mich ignoriert er ja weitgehend.«

»Ok, kurz vor zwölf. Ciao!«

Die beiden waren meine Familie. Der Rest war im Laufe meines Rachefeldzugs gegen meinen Ex-Schwiegersohn Edgar vor zwei Jahren auf der Strecke geblieben. Edgar saß in Stuttgart-Stammheim noch mindestens zehn Jahre wegen seiner beiden Morde und der Betrügereien ein. Meine Tochter Brigitte hatte die Verbindung zu mir abgebrochen, als ich ganz am Boden lag, zum Obdachlosen geworden war, in Selbstmitleid ertrank und nur von meinen damaligen »Kollegen“ und heutigen Freunden am Leben gehalten wurde. Kalle und Jacek in Stuttgart. Ohne die beiden säße ich heute nicht hier, Jasmin würde nach wie vor reiche Kunden als Domina quälen und Jan wäre wahrscheinlich als aktives Mitglied im Chaos Computer-Club im Darknet gelandet.

»Lieber Gott«, habe ich oft gebetet, »danke, dass Du uns trotz des Diebstahls von mehr als fünf Millionen beschützt hast.« Millionen, um die ich Edgar van Damme mit Hilfe meiner Gefährten erleichterte. Geld, um das er zuvor mich und seine vielen anderen Anleger betrogen hatte. Ich gebe zu, ich war rachsüchtig, weil er mich über Jahre unbemerkt systematisch in den Ruin getrieben hatte. Ich wollte es ihm mit gleicher Münze heimzahlen. Manchmal bereue ich es, aber, wenn ich ehrlich sein soll, nur ein bisschen. Er hatte es verdient. Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass wir immerhin die Hälfte des Geldes anonym wieder an die existenziell Geschädigten zurückfließen ließen.

Jetzt war unsere gemeinsame Idylle plötzlich gestört.

Und ich war eingenickt.

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